Jingo De Lunch
Déjà VooDoo

((Phonogram)) [14.09.94]


Musik nach Autofahrtauglickeit zu beurteilen, ist sicherlich keine seriöse Angelegenheit. Dennoch: Das aktuelle JINGO DE LUNCH-Album geht in meinem werkseitig eingebauten 'Beta' augenblicklich auf 'heavy rotation'. Nicht nur in Berlin, sondern auch im beschaulichen Weilerswist (wo immer das jetzt auch sein mag) können also urban klingende Longplayer eingespielt werden. Angenehme Up-Tempo-Nummern lassen Rotlichter vergessen, vor Augen statt dessen den vor hektischer Lebendigkeit pulsierenden Boulevard eines mitteleuropäischen Ballungsraums. Unsauberes Distortion raubt den Dängel-Drängel-Gitarren jede harmoniegebende Qualität - ganz so, wie es sein soll, um die Illusion staubiger Straßen zu plastifizieren. An jeder Ecke wird ein Haus aufgerissen, jedes Kellerloch erweckt den Eindruck, als gingen darin - vor neugierigen Blicken verborgen - unglaubliche Underground-Aktivitäten ab, man kann den Aufruhr förmlich riechen... Und auch das gehört zum Mythos Großstadt: Ein sanftes, abstrakt-ästhetisiertes Gefühl von Anonymität, Verlassenheit und Sehnsucht. Das City-Panorama stylen bei JINGO DE LUNCH die Instrumentalisten: durchsichtige Komposition und Arrangements aus dem Rockmusiker-Handbuch, das von den Jungs unter Garantie jedoch keiner lesen kann. Schnörkellosigkeit schafft die gewollte Fassadenhaftigkeit des Ambientes und läßt ausreichend Platz, die obligatorischen Stadt-Klischees in die grobschlächtige Kulisse zu halluzinieren. Das emotionale Setting erstellt Sängerin Yvonne Ducksworth, deren bekannt eigentümliche Vokalformung stets irgendwie nach Flanger klingt (der natürlich in der produktionstechnischen Wirklichkeit keine Rolle spielt) und so individuelle Unentschlossenheit, Handlungsunfähigkeit und ähnlich defizitäre Emotionen gewahr werden läßt. Die Vokalpartien sind mehr noch als auf den Vorgänger-Alben wahre Kleinode. Anspieltip in dieser Hinsicht: 'So What' mit der verpoppten Chorus-Hookline, zu der zwar kein großer Geist gehört, die aber ungeheuer wirkungsvoll ist, wie eigentlich alles bei JINGO DE LUNCH. Völlig klasse: 'A Kin Song' - sogar findig gemacht, beschaulich und beinahe feuerzeug- und wunderkerzenprovozierend. Insgesamt déjà vu, aber danach lechzen wir schließlich alle.